Was bei der Namensfindung für Viren zu beachten ist

Mai 29, 2020

Das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) ist die zuständige Stelle für die Benennung von Viren und durch Viren ausgelöste Krankheiten. Neben diesem Gremium definiert auch die Weltgesundheitsorganisation WHO Kriterien für die Namenswahl. Dabei zeigt sich: Die Anforderungen sind ähnlich komplex wie bei Markennamen.

Schweinegrippe, Spanische Grippe, Ebola, Zika oder Noro-Virus: Diese Namen haben etwas gemeinsam. Sie beziehen sich auf Viren oder auf durch Viren ausgelöste Krankheiten – und sie stießen auf Widerstände, weil sich Nationen oder Interessengruppen durch sie beleidigt oder diskriminiert fühlten.

Kein Name ist perfekt

Beim Ausbruch der Schweinegrippe im Jahr 2009 liefen Schweinezüchter gegen den Namen Sturm, da sie ihn mit verantwortlich machten für die massiven Umsatzeinbrüche der Branche. Die Öffentlichkeit habe fälschlicherweise geglaubt, argumentierten sie, dass Schweinefleisch die Krankheit übertrage. Auch in Israel und im arabischen Raum regten sich Widerstände gegen den Namen – das Wort „Schwein“ wollte man dort nicht in den Mund nehmen. Als Alternative schlug der damalige israelische Gesundheitsminister die „Mexikanische Grippe“ vor, weil die Krankheit vermeintlich in dem mittelamerikanischen Land ausgebrochen war. Das wiederum empörte die Mexikaner.

Das Beispiel zeigt, dass auch geografische Angaben für reichlich Zündstoff sorgen, da sich die betreffenden Nationen hierdurch stigmatisiert fühlen. Fälle von Spanischer Grippe wurden zwar erstmals in Spanien gemeldet, doch weiß man heute, dass sie dort nicht entstanden ist. Das Gleiche gilt für das Marburg-Virus. Gelitten hat der Ruf afrikanischer Länder: Ebola ist ein Fluss in der Demokratischen Republik Kongo und Zika ein Wald in Uganda.

Auch der Name für das Norovirus, das Erbrechen und Durchfälle auslöst, war Stein des Anstoßes. In diesem Fall kamen Beschwerden aus Japan. Noro ist dort ein weit verbreiteter Familienname; das Ansehen dieser Familien würde durch den Namen nun beleidigt.

Empfehlungen der WHO

Um das Risiko derartiger Diskriminierungen möglichst gering zu halten, hat die WHO reagiert und 2015 Empfehlungen ausgesprochen. Ein Virusname solle nicht mehr nach einer Region („Fujian-Grippe“), einem Tier („Affenpocken“, „Vogelgrippe“), einer Person („Creutzfeld-Jakob-Krankheit“) oder einer Gruppe („Legionärskrankheit“) benannt werden. Weitere Anforderungen von Seiten des ICTV sind: Jedes Virus muss eindeutig auf der Basis seiner genetischen Struktur benannt werden, um die Kommunikation sowie die Entwicklung von diagnostischen Tests, Impfstoffen oder Arzneimitteln zu erleichtern. Außerdem müssen sich Namen für virale Krankheiten unmittelbar auf die Krankheit beziehen, damit sie nicht mit anderen medizinischen oder pharmazeutischen Begriffen verwechselt werden, und sie sollen gut auszusprechen sein.

Die WHO-Empfehlungen haben der Stadt Wuhan vermutlich weiteren Ärger erspart: Das Coronavirus hätte sonst sicher den Namen Wuhan-Virus erhalten. Der Name Coronavirus ist vor diesem Hintergrund die bessere Wahl. Übrigens ist er keine neue Erfindung: Der Name Corona (lat.: Kranz, Krone) besteht seit den 1960er-Jahren und spielt auf die kranzförmige Struktur der Corona-Virenfamilie an. Die von ihm ausgelösten Krankheiten erfüllen die Namensanforderungen ebenfalls. SARS-CoV-2 steht für „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2und COVID-19 für „corona virus disease 2019“.

Parallelen zum klassischen Pharma-Naming

Auch ein Pharma-Name darf weder verwechslungsfähig sein mit anderen Medikamenten oder Wirkstoffen noch diskriminierend oder unseriös. Er muss das Medikament weltweit eindeutig identifizieren und dabei gut sprechbar und zu verstehen sein. Zudem sollte er phonetisch und orthographisch so beschaffen sein, dass der Arzt den Namen handschriftlich und elektronisch mühelos notieren kann – auch damit es beispielsweise in der Apotheke nicht zu Missverständnissen kommt. Denn wie immer im medizinischen Bereich gilt: Ein falsch gewählter Markenname stellt im schlimmsten Fall eine Gefahr für Leib oder Leben dar.

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Foto: cdc-unsplash