Namensstrategien, von denen man etwas lernen kann

Januar 24, 2018

Weltweit gibt es Marken im Überfluss. Allein in Deutschland werden etwa 56.000 Marken aktiv beworben. Angesichts dieser Reizüberflutung fragen sich viele Unternehmen zu Recht, wie eine zukunftsfähige Namensstrategie aussieht. Am Beispiel einiger ausgewählter Marken zeigt NOMEN, welche Namen den Markterfolg fördern und welche nicht.

Beispiel #1: Innocent

Der Hersteller hochwertiger Smoothies schaffte das Kunststück, seine Produkte als wertig und witzig zugleich zu positionieren. Innocent bedeutet „unschuldig“ und unterstreicht die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensphilosophie. Dabei kommt die Marke ganz ohne erhobenen Zeigefinger aus, sie enthält dank Heiligenschein im Logo sogar eine gute Portion Selbstironie. Für frischen Wind sorgen seit Sommer 2017 ein neues Flaschendesign sowie originelle Smoothie-Namen wie Möhrchenprinz, Habe die Beere, Beetgeflüster, Coco & Co., Magnificent Mango, Kiwi Wonder etc. Auch die Markenkommunikation macht Spaß. So verrät Innocent seinen Kunden, die übrigens konsequent geduzt werden: „Am Rezept haben wir nichts verändert: Gleich lecker mit 100 % Obst und Gemüse. Beerenwort.“ Die Texte auf den Flaschendeckeln nehmen Bezug auf den jeweiligen Produktnamen, u. a. „Es war einmal eine Karotte …“ oder „Lass dich befruchten und gemüsen“.  Originell ist auch die erwünschte Kontaktaufnahme: „Ruf uns am Bananafon an.“

Durch den Namen Innocent wurde die Marke perfekt positioniert. Die selbstbewusste Markenpositionierung wird durch die Produktnamen, die Markensprache und das Logo konsequent durchdekliniert. Sie bildet ein stimmiges Ganzes und damit das Fundament für eine erfolgreiche Markenführung im Premiumsegment.

Foto: Innocent

Beispiel #2: Viessmann

Viessmann ist einer der international führenden Hersteller von Heiz-, Industrie- und Kühlsystemen mit einer umfangreichen Produktpalette. Um den Kunden im Sortiment Orientierung zu bieten, wurden die Produktnamen mit NOMEN-Unterstützung systematisiert. Seitdem fungiert die Vorsilbe „Vito-“ als semantische Klammer für Heizsysteme und alles, was mit Wärme zu tun hat. „Tecto-“ bezeichnet im Unterschied dazu Kühlsysteme für gewerbliche Anwendungen.

Die beiden Markenstrategien, die sehr konsequent umgesetzt werden, identifizieren und differenzieren die unterschiedlichen und jeweils sehr umfangreichen Produktsortimente deutlich voneinander. So werden die Namen zu Wegweisern, die den Zielgruppen helfen, sich im jeweiligen Sortiment zurechtzufinden. Ein weiterer Vorteil ist, dass dieses System ohne großen Aufwand beliebig erweiterbar ist.

Beispiel #3: Rügenwalder Mühle

Kann ein Name eine totale Kehrtwende mittragen? Ja, er kann, wie die Marke Rügenwalder Mühle beweist. 2014 kündigte der Wursthersteller an, dass man in den kommenden Jahren konsequent Fleisch durch vegetarische Zutaten ersetzen werde und irgendwann womöglich gar keine Fleischprodukte mehr verkaufen werde. Bereits Anfang 2015 kamen die ersten vegetarischen Produkte auf den Markt. Die Markendehnung wurde von Markenberatern mehrheitlich skeptisch gesehen. Doch wider Erwarten erwies sich der Name als tragfähig und die Rechnung ging auf. Bereits nach einem Jahr kamen nach Unternehmensangaben auf wöchentlich rund 400 Tonnen Fleischprodukte bereits etwa 100 Tonnen vegetarische Produkte.

Warum funktionierte diese radikale Markendehnung, während viele andere Marken scheitern? Rügenwalder erkannte als erster Wursthersteller Vegetarismus als einen gesellschaftlichen Mega-Trend und nutzte die Gelegenheit, sich als innovativer First Mover zu positionieren. In Zeiten fragwürdiger Massentierhaltung und unappetitlichen Fleischskandalen traf Rügenwalder damit genau den Nerv der Zeit. Der Name hielt der Markendehnung stand, da die Argumente für die Kunden relevant waren und von diesen als glaubwürdig und nachvollziehbar akzeptiert wurden. Im Unterschied dazu funktionieren jene Markendehnungen ohne glaubwürdige Mission und tatsächliche Innovation meist nicht.

Foto: Rügenwalder Mühle

Beispiel #4: IBM Watson

Wie bezeichnet man Innovationen, die so kompliziert sind, dass kaum jemand sie versteht? IBM macht es mit dem Namen Watson vor. Der originelle Name bezeichnet ein Computerprogramm auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI), das neue Wege in der natürlichen Sprachverarbeitung gehen soll. Es soll künftig beispielsweise eigenständig Hypothesen und Analysen erstellen, diese bewerten und Vorhersagen treffen. Namensgeber für das Programm ist übrigens Thomas J. Watson, ein früherer Präsident von IBM. Viele werden spontan auch an den Assistenten von Sherlock Holmes denken – eine willkommene Assoziation. Geplante Einsatzgebiete für die neue Technologie sind die medizinische Diagnostik oder juristische Recherchen. Auch andere Bereiche sind denkbar, z. B. im Bereich des Autonomen Fahrens. Auf der CeBIT 2017 präsentierte IBM bereits einen autonomen Bus der mit Watson vernetzt ist und durch ihn gesteuert wird. Sein Name: Olli.

Hier lautet das Fazit: Bei einem abstrakten Produkt ist ein personifizierender Name ein gelungener Schachzug, insbesondere wenn es (noch) konkurrenzlos ist. Der Name baut auf diese Weise Barrieren ab und macht das Produkt greifbar, zugänglich und sympathisch. Außerdem sichert sich der Hersteller mit einem originellen Namen einen wichtigen Vorsprung im Wettbewerb.

Beispiel #5: Casper

Bei diesem Online-Händler von Matratzen geht die gleiche Namensstrategie – also Personennamen – hingegen nicht auf. Zu viel Wettbewerb, zu wenig Innovation: Neben der Marke Casper tummeln sich in den deutschen Betten inzwischen auch noch die Matratzen von Händlern wie Emma, Bruno und Eve. Pech für denjenigen, der zuerst die Idee hatte, als Firmennamen einen Vornamen zu wählen. Denn gegen die Verwässerung der eigenen Marke lässt sich in diesem Fall wenig ausrichten. Ein markenrechtliches Vorgehen ist nämlich nur dann möglich, wenn ein Name klanglich oder optisch kopiert wird (z. B. Casper vs. Kaspar).

Wir von NOMEN meinen: Bei Me-Toos können alle Seiten nur verlieren. An die erfolgreiche Namensstrategie eines Wettbewerbers sollte man sich nur hängen, wenn man der ewige Zweite bleiben will. Es ist in jedem Fall ratsamer, bei der Namenswahl einen eigenständigen Weg zu gehen. Gänzlich unangebracht sind Namen ohne jegliche Markenpositionierung wie Bett1. Kreative Namen sind dagegen deutlich prägnanter. An die Adresse derjenigen, die kopiert werden: Dies lässt sich oft leider nicht verhindern. Wer seine Wettbewerber auf Abstand halten will, braucht eine Markenpositionierung, die verbal und visuell konsequent durchdekliniert wird. Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel Innocent (vgl. Beispiel #1).

Foto: Casper

 

Beispiel #6: Android Oreo

Zum Schluss noch ein Blick auf die wohl ungewöhnlichste Namensstrategie der letzten Jahre. Das von Google entwickelte Smartphone-Betriebssystem Android kooperiert mit Süßwarenherstellern und nutzt deren Markennamen zur Benennung seiner Updates. Nach Android Kitkat wurde jüngst Android Oreo vorgestellt. Ist diese Namensstrategie genial oder total daneben?

NOMEN-Urteil: Flop! Die Namensstrategie ist zwar auffällig und im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Doch sie ist auch riskant, da hier „mitgefangen, mitgehangen“ gilt. Jede Kritik an Kitkat oder Oreo, ob berechtigt oder unberechtigt, wird automatisch auf Android zurückfallen – und umgekehrt.