Nicht süß genug, um „Limonade“ zu heißen: Mit dieser Begründung hatte jüngst eine Hamburger Behörde den Getränkehersteller Lemonaid aufgefordert, ein Erfrischungsgetränk umzubenennen oder den Zuckergehalt zu erhöhen. Nach einer empörten öffentlichen Diskussion wurde die Abmahnung jedoch auf Eis gelegt.
Lemonaid will trinkend die Welt verändern: Das als soziales Getränkeprojekt gegründete Unternehmen mit Sitz in Hamburg-St. Pauli fördert mit biologisch angebauten und Fairtrade-zertifizierten Zutaten eine nachhaltige, gerechtere Landwirtschaft. Doch kürzlich kam der Zuckerschock: Die zuständige Hamburger Behörde monierte, dass die neue Sorte Lemonaid Limette nicht süß genug sei und daher nicht mehr „Limonade“ heißen dürfe.
Die Begründung: „Verkehrsübliche Bezeichnungen enthalten die Leitsätze für Erfrischungsgetränke. Definiert sind hier unter II.C. ‚Limonaden‘. Nach II.C. Nr. 1 der genannten Leitsätze weisen Limonaden einen Gesamtzuckergehalt von mindestens 7 Gewichtsprozent auf. Dieser Anforderung entspricht die Probe in ihrer Zusammensetzung nach den Nährwertangaben pro 100 ml ‚Zucker 6,0 g‘ und dem hier ermittelten Extraktgehalt nicht. Sofern die Rezeptur der Probe unverändert bleibt, kann folglich für die Probe ausschließlich eine beschreibende Bezeichnung angegeben werden. Die Bezeichnung als ‚Limonade‘ ist nicht möglich.“
Bei Lemonaid reagiert man darauf säuerlich. „Um weiter ‚Limonade‘ zu heißen, sollen wir also mehr Zucker in unsere Buddeln tun?“, hieß es auf der Website. „Für uns nur mit chronischer Unterzuckerung von Ernährungsministerin Julia Klöckner zu erklären. Die gerade erst ihre ‚Nationale Strategie zur Reduktion von Zucker und Fett in Lebensmitteln‘ vorlegte – und weniger Zucker in Drinks forderte. Wir tragen den Titel ‚Saftladen‘ mit Stolz – in diesem Fall geben wir ihn aber gerne weiter, Frau Ministerin! Bevor auch wir saurer werden, als erlaubt: Seid so süß und ändert die Richtlinie. Natürliche Lebensmittel mit wenig Zucker sollten nicht bestraft werden – sondern der Normalfall sein. Danke.“
Laut SPIEGEL folgte kurz darauf die Entwarnung. Die Hamburger Gesundheitsbehörde teilte mit, man werde die Limonade vorerst doch nicht beanstanden. Gleichzeitig zitiert der SPIEGEL die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die ankündigte, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, „dass die Leitsätze für Lebensmittel hinsichtlich möglicher gesundheitsschädlicher Mindestgehalte überprüft werden.“ Lebensmittel mit wenig Zucker sollten nicht bestraft werden, „sondern der Normalfall sein.“
Für NOMEN-Chefin Sybille Kircher ist der Fall kurios: „Die Verärgerung bei Lemonaid war natürlich nachvollziehbar. Es ist absurd, Hersteller zu bestrafen, die den Zuckergehalt ihrer Produkte reduzieren.“ Andererseits: „Keine Limonade zu sein, ist ein weiterer USP, schließlich assoziieren die meisten Menschen den Begriff mit etwas Ungesundem. Warum also sollte ein hochwertiges Bio-Getränk mit wenig Zucker freiwillig diese Bezeichnung tragen?“ Ihr Tipp: Im Rahmen der Markenpositionierung lieber eine eigene, geschützte Bezeichnung prägen, weil diese das Getränk zusätzlich aufwertet.